Kommunikation auf Herzebene - Utopie oder einen Versuch wert?
- carmenshana8
- 29. Jan. 2023
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 1. März 2023

Wenn ich Freunden und Bekannten so zuhöre, was sie über die zum Teil derzeit herrschende Kommunikation auf Social-Media-Plattformen so berichten, dann habe ich das Gefühl, dass wir uns momentan auf einem Tiefpunkt befinden, was die menschliche Kommunikation untereinander betrifft. Ich muss ja zugeben, dass ich bisher eher ein Social-Media-Muffel war, aber für die Recherche zu diesem Text habe ich mich tatsächlich auf diverse Plattformen begeben, um das zu überprüfen, was mir meine Freunde erzählt haben. Und tatsächlich, wie Menschen zum Teil über diese Medien kommunizieren, würde ich als „astronomisch weit unterhalb der Gürtellinie liegend“ bezeichnen. Ich habe mich gefragt, ob diese Menschen untereinander genau so reden würden, wenn sie sich Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen und die Reaktion des Gegenübers direkt erleben müssten. Es hat sich offenbar eingebürgert, dass man die Meinung eines anderen nicht einfach mal so stehen lassen kann, sondern grundsätzlich mit einer Gegenmeinung kommentieren muss und das noch dazu in einer Art und Weise, die teilweise als brutal und untergriffig zu bezeichnen ist.
Auch musste ich in letzter Zeit feststellen, dass ebenso auf politischer Ebene die Form der Kommunikation sehr zu wünschen übriglässt und die Regierenden sich partout nicht auf einen Diskurs mit Fachleuten einlassen wollen, die nicht die derzeit propagierte Meinung teilen können. Auch hier werden Ausdrücke und Sprachmuster an den Tag gelegt, die eher auf einen Kriegsschauplatz und nicht in ein bisher demokratisch geführtes Land gehören. Warum werden die Meinung und das Fachwissen anderer einfach ausgegrenzt? Warum kann man nicht der anderen Seite einfach zuhören und verschiedene Meinungen und Thematiken auf sachlicher Ebene diskutieren, ohne sich verbal die Köpfe einzuschlagen?
Wie es bereits Paul Watzlawick treffend formulierte, kann man nicht nicht kommunizieren. Sobald wir mit Menschen in Beziehung treten, kommunizieren wir mit unserem gesamten Körper über Sprache, Mimik, Gestik, Körperhaltung, Schwingung und Frequenz – landläufig auch Ausstrahlung genannt. Dabei ist es völlig unerheblich, ob ich an der Tankstelle beim Tankwart die Rechnung für meine Tankfüllung begleiche und den Tankwart beim Betreten der Tankstelle kurz begrüße und anlächle, oder ob ich mich mit Freunden stundenlang über interessante Themen austausche. Ich kommuniziere mit meinem Gegenüber in beiden Fällen. Aus öffentlichen, beruflichen und politischen Debatten, die kommunikationstechnisch eher bedenklich verlaufen, können wir uns jederzeit heraushalten, aber wie sieht es in unserem privaten Umfeld aus? Wie verhält es sich mit unserer Kommunikation mit unseren Freunden und unserer Familie? Wie sieht unsere verbale Verständigung mit unserem Partner aus? Ich finde ja sehr interessant, dass sich schon seit Jahren die These hält, dass Männer und Frauen nicht miteinander kommunizieren können. Dies geht sogar so weit, dass behauptet wird, dass Männer und Frauen jeweils von einem anderen „Kommunikations-Planten“ (dazu wurden sogar ganze Bücher geschrieben – wobei ich die Inhalte nicht kenne) kommen und daher eine Verständigung auf Augenhöhe nahezu unmöglich ist. Auch wird immer wieder davon geredet, dass Frauen viel ausgiebiger reden, um etwas mitzuteilen, wohingegen Männer ohne Umschweife auf den Punkt des zu Sagenden kommen. Nun habe ich doch schon ein paar Jahre an Lebenserfahrung aufzuweisen und habe immer wieder feststellen müssen, dass es sowohl Männer gibt, die unglaublich viel Text verbrauchen, um nichts zu sagen, als auch Frauen, die in knappen, klaren Worten das formulieren, was zum Thema gesagt werden soll. Kurzum, ich kann diese These nicht bestätigen. Was ich jedoch schon immer wieder beobachten kann, ist, dass es tatsächlich Kommunikationskonflikte zwischen dem männlichen und dem weiblichen Geschlecht gibt. Vielleicht liegt es daran, dass Männer eher den aggressiv (hier als „vorpreschend“ zu verstehen) gebenden und Frauen den nährend annehmenden Teil der Dualität darstellen, was in der Natur der Sache und in der Unterschiedlichkeit zwischen dem Männlichen und Weiblichen begründet sein mag. Das bedeutet, dass es durchaus Unterschiede in der Form der Kommunikation zwischen Mann und Frau geben kann, was jedoch für mich nicht erklärt, wie diese Konflikte entstehen. Wenn man dies nun aus dem Blickwinkel der Verstandesebene betrachtet, wird die Sache schon etwas klarer. Wir wurden bereits im Schulkindalter darauf trainiert, aus der Verstandesebene heraus Dialoge zu führen und auf dieser Ebene können Konflikte relativ leicht entstehen, denn hier will man auf jeden Fall Recht behalten und das Gegenüber vom eigenen Standpunkt überzeugen, denn die derzeitige Welt ist von der Schule bis zum Beruf auf Konkurrenz anstatt auf Gemeinschaft aufgebaut. Meist kommen auch noch Emotionen aus erlebten Erfahrungen hinzu, die es ebenfalls sofort an das Gegenüber abzuladen gilt, sodass man dann relativ schnell in der Situation ist, in der man dem anderen vorwirft, dass er oder sie einen sowieso nicht verstehen will. Aus der Emotion heraus, sagen wir oftmals Dinge zu anderen Menschen, die sie mehr verletzen, als ein Schlag ins Gesicht. Um aus derartigen Situationen herauszukommen bzw. gar nicht erst hineinzugeraten, macht es Sinn, sich auf die Herzebene zu begeben, und von dort aus mit dem Gegenüber zu kommunizieren. Hier bedarf es oftmals auch nicht vieler Worte, um den anderen zu verstehen bzw. um vom anderen verstanden zu werden. Auf dieser Ebene können auch Themen verbalisiert werden, die vielleicht für den anderen schmerzhaft sind, jedoch auf diese Weise leichter angenommen und reflektiert werden können, um Veränderungen im Miteinander hervorzurufen. Eine Kommunikation auf Herzebene funktioniert und von hier aus, wird man kaum falsche Worte wählen, denn hier spricht das Herz und nicht ausschließlich das Hirn. Somit wäre eine Verständigung, in der das Herz mit einbezogen wird, in allen Bereichen unseres Lebens Balsam auf viele Wunden, die sich Menschen zugefügt haben.
Auf der reinen Verstandesebene werden oftmals auch Worte nicht ausgesprochen, weil man sich derer schämt, Angst vor Zurückweisung oder Angst davor hat, den anderen zu verletzen. Man fragt sich, was oder wie das Gegenüber über einen denken mag, wenn man das Gefühl, das man gerne in Worte fassen, tatsächlich aussprechen würde. Aber, was würde passieren, wenn man diese Worte des Herzens trotz der Ängste ausspricht? Würde man es an einem bestimmten Punkt seines Lebens bereuen, wenn man beispielsweise dem einen oder anderen Menschen nicht gesagt hat, wieviel er oder sie einem bedeutet oder dass man ihn oder sie von Herzen liebt? Ich denke, ja, das würde man. Wenn man aus dem Herzen spricht, haben Angst und Scham vor dem Gegenüber in Wirklichkeit keinen Platz, sodass man durchaus in Betracht ziehen könnte, sich auf diese Form der Kommunikation einzulassen, denn mit offenem Herzen wird man immer die eigene Wahrheit sprechen, sodass sie vom anderen auf dieser Ebene auch urteilsfrei angenommen werden kann. Kommunikation auf Herzebene ist nicht nur möglich, sondern hebt jede Form des Miteinander auf eine wertvollere Ebene. Es ist einen Versuch wert …! Wenn wir die Angst überwinden und aus dem Herzen heraus sprechen und handeln, dann werden sich vielleicht auch neue Türen in unserem Leben öffnen, deren Existenz wir nicht für möglich gehalten hätten.
© Carmen Shana F.
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